Leiste Papiermache Geschichte und Geheimnisse Woher kommt die Tradition des Pappmaché und wie konnte die Ludwigsluster Carton-Fabrique ihre Kunstwerke täuschend echt erschaffen. Ludwigsluster Carton
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Ludwigsluster Papiermaché – Eine perfekte Illusion.

Im 18. und 19. Jahrhundert eroberte Raumschmuck aus der "Ludwigsluster Carton Fabrique" ganz Europa. Die Manufaktur war berühmt dafür, aus einfachem Papiermaché Materialen wie Marmor, Gold, Holz, Bronze oder Stuck täuschend echt zu imitieren. Die Palette der Produkte reichte von Ornamenten, über Statuen und Möbel bis hin zu ganzen Raumdekorationen.

Auch wenn im 19. Jahrhundert ein neuer Zeitgeist das Ende der Carton Fabrique einläutete, gibt es heute noch in Ludwigslust derart viel Pappmaché auf kunsthandwerklich höchstem Niveau zu bestaunen, wie an keinem anderen Ort in Europa. Auch die Papiermaché Tradition ist wieder erlebbar.

Wie aus alten Akten Gold und Marmor entstehen kann

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Die Geschichte des Papiermaché

Die Nutzung von Papier nicht nur als Schriftträger sondern auch seine Verarbeitung zu plastischen Werken ist schon seit Jahrhunderten gebräuchlich. Bereits im Alten Ägypten wurde Papyrus für die Fertigung von Gestaltungselementen genutzt. Im späten Mittelalter und in der Renaissance fertigten Künstler in vielen Teilen Europas Papiermaché-Devotionalien, welche vor allem in Wallfahrtsorten als Souvenier angeboten wurden. Die Eigenschaften des Materials, die geringen Produktionskosten und die Vielfalt der Verwendung ließen das Papiermaché im 18. Jahrhundert an Bedeutung gewinnen. Der leicht formbare und kostengünstige Werkstoff war besonders beliebt bei der Fertigung von Galanteriewaren, wie Schnupftabakdosen, Tabletts, Stöcken und Schachteln. Diese wurden mit Lackmalerei farbig gefasst und verziert. Manufakturen für Galanteriewaren fand man im 18. Jahrhundert auch in Petersburg, in Berlin mit der „Manufaktur für Lackwaren“, sowie in Braunschweig mit den Luxusgüterhersteller Stobwasser.

 

Wie kam das Papiermaché nach Ludwigslust?

Ludwigslust sollte in der Mitte des 18. Jahrhunderts zur neuen Residenz nach barockem Zeitgeschmack ausgebaut werden. Doch das Herzogtum Mecklenburg-Schwerin war nach dem Siebenjährigen Krieg und einem Erbfolgestreit wirtschaftlich geschwächt. Es war aber nicht nur die angespannte Finanzlage, die Herzog Friedrich dazu bewog, günstige Materialien für seinen Residenzbau zu suchen. Er war auch begeistert für Naturwissenschaften, wollte nachhaltig wirtschaften und dachte ohnehin sparsam. Die Idee zur Verwendung von Papiermaché soll von einem seiner Lakaien stammen: Johann Georg Bachmann. Der Herzog beauftragte ihn auch mit der praktischen Erprobung und Umsetzung. Bachmann wurde der erste Leiter der Papiermaché-Werkstatt.

Die erste Erwähnung des Ludwigsluster Papiermachés soll der englische Gelehrte Thomas Nugent bei einem Besuch des Hofes im November 1766 in seinen Reiseberichten festgehalten haben. Er besichtigte den großzügigen Ludwigsluster Schlosspark und stellte fest:

„ Etwas rechts von diesem Kanal kamen wir an den sogenannten Kaisersaal, einem Platz, der seinen Namen von den zwölf römischen Kaiserstatuen hat, die hier in der runde stehen. Alle diese Statuen sind aus bloßer Pappe gemacht, aber von der Witterung so gehärtet, als der dauerhafteste Stein“1

Die Werkstatt fertigte in den nächsten Jahrzehnten Dekorationen für den Schlosspark, die Schlosskirche, das Ludwigsluster Schloss und weitere Gebäude in der Stadt, wie das Palais Bülow. Nach Fertigstellung des Schlosses verlegte sich die Manufaktur auf die Herstellung von Kunstreproduktionen, Kleinmöbeln, Tafelaufsätzen und anderen dekorativen Stücken für einen breiten Markt.

 

Wie wurde Pappmaché hergestellt?

Das Fertigungsprinzip der Ludwigsluster Manufaktur

In der Ludwigsluster Manufaktur wurde vor allem in einer Schichttechnik gearbeitet, die auch als Papierkaschee bezeichnet wird. Die Basis bildeten quadratische Papierschnipsel - meist zwischen 3 bis 6 cm breit. Hinzugefügt wurden auch weitere Materialien, wie Weingeist, Gips, Mehlkleister, Knochenleim und andere Substanzen, die die Eigenschaften des hergestellten Papiermachés beeinflussen konnten.

Schicht für Schicht wurden angefeuchtete Papierschnipsel mit Stärkeleim in vorbereitete Negativformen eingeklebt und angebürstet. Die Formen wurden von Hoftischlern und Hofbildhauern in Ton, Holz oder Gips gefertigt. Anschließend musste das Stück unter Druck getrocknet werden.

Die Papiermachérohlinge konnten nach dem Trocknen vielfältig weiterverarbeitet werden. Sie wurden geschliffen und poliert, bemalt, vergoldet... - Die Kunstfertigkeit der Ludwigsluster Handwerker ermöglichte es, dass fast alle Materialien imitiert werden konnten. Sie waren ein preiswertes und auch leichtes Äquivalent für Materialen wie Marmor, Stein, Ton oder Holz.

Geniales Recycling - Altpapier wird Kunstobjekt

Um den enormen Mehrbedarf an faserreichem Papier für die Produktion von Papiermaché zu beschaffen, erließ Herzog Friedrich 1773 eine Order an die Ämter und Collegien, dem Lakaien Bachmann altes, unbrauchbares Papier nach Ludwigslust zu liefern. Nachweisbar waren dieses vor allem Akten der herzoglichen Schreib- und Steuerstuben, denn noch heute kann man im Inneren von Büsten und Skulpturen handschriftliche Auflistungen und Notizen entdecken.

 

Quellen und Dank

Wir bedanken uns für die fachliche und inhaltliche Unterstützung durch das Schlossmuseum in Ludwigslust, die Staatlichen Schlösser und Gärten Mecklenburg-Vorpommern und durch die Familie Leithold vom Palais Bülow - ebenfalls in Ludwigslust.

1  Thomas Nugent; Travels through Germany: with a particular account of the court of Mecklenburg,  London 1768, S.330

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